GMS MALOJA
Bericht von Göpf Streuli
Im Mai1983 fuhr ich zusammen mit Werner Schwarzwälder nach Bodenwerder an der Elbe. Wir hatten die Fertigstellung der Maloja zu überwachen, er als Techniker und Maschinensachverständiger, und ich war zuständig für den schiffischen Bereich. Die Werft ist zu loben. Wenn wir etwas wünschten, so fanden wir sofort zuständige Ansprechpartner. Die Arbeiten am Schiff wurden gut und sorgfältig ausgeführt. Wir konnten drei Wochen lang in einem durch die Werft erstellten Bungalow wohnen.
Auch lernten wir das Dorf Bodenwerder gut kennen, gingen jeden Abend in ein anderes Wirtshaus zum Abendessen. Die Übergabe des Schiffes wurde zufällig im Juni auf meinen Geburtstag festgelegt. Die Weser ist gestaut, trotzdem hat es talwärts einige Untiefen, die zu passieren sind. Um diese risikolos zu befahren, wurde von der oberen Staustufe zu einer bestimmten Zeit ein Schwall Wasser bestellt – und dieser kam denn auch prompt. Der Fluss ist bei der Werft so schmal, dass ein Schiff nicht wenden kann. Deswegen werden alle Schiffe mit dem Bug in Richtung Nordsee gebaut. Die Talfahrt verlief problemlos, wir hatten ja auch einen Lotsen an Bord. Ich habe ja eben kein Weserpatent.
Maloja ist ein modernes Schiff mit allen technischen Notwendigkeiten und Raffinessen. So ist es überall doppelwandig, hat auch eine eiserne Strau. In den Zwischenräumen hat es Platz für etwa 500 to Ballastwasser, Füllzeit etwa 5 Stunden. Das ist notwendig beim Befahren des Rhein-Herne-Kanals. Durch diesen Wasserweg fuhren wir oft mit Tonerde nach Essen. Steuerhaus und Radarmast mussten dann jeweils hydraulisch gesenkt werden. Das allerbeste, moderne Hilfsmittel, das Maloja hat, ist im Vorschiff ein etwa 200 PS starker Bugantrieb, zu bedienen im Steuerhaus. Er ist verstellbar in jede Richtung. Diese Navigationshilfe ist Gold wert. Das Steuerhaus geht auf Knopfdruck etwa zwei Meter hinunter. Unter dem Steuerhaus Velos hinzustellen ist also nicht empfehlenswert. Das elektrische und hydraulische Ruder ist dreifach abgesichert. Echolot und Autopilot sind auch da.
In Bremen war ein längerer Aufenthalt eingeplant, weil dort das Schiff gut und sicher abgemeert werden konnte. Die Hauptmotoren mussten nämlich mit voller Kraft lange Zeit laufen. Techniker der Reederei und der Maschinenfabrik waren an Bord und machten Messungen und mussten zufriedenstellende Werte haben, bevor alles gut befunden wurde. Erst dann konnte die Reise nach Rotterdam angetreten werden. Wir planten, über Oldenburg, den Küstenkanal, Emden, die Ems, Delfzijl, Groningen, Lemmer, das Jisselmeer, Kampen, die Jissel, den Niederrhein, die Waal nach Rotterdam zu gelangen. Weil Maloja für den Küstenkanal eigentlich zu lang war, erhielten wir eine Spezialbewilligung, mussten aber zu einer vorgeschriebenen Zeit Oldenburg passiert haben. Dort angekommen kam die unerfreuliche Nachricht, dass wir eine halbe Stunde zu spät seien und erst am nächsten Tag zur richtigen Zeit weiter fahren durften. Die Techniker hatten offensichtlich in Bremen zu lange gebraucht. Für die Disposition des Schiffes durch die Reederei kam es dann noch böser. In Holland angekommen, erfuhren wir von der Schleuse in Delfzijl, dass wir nicht mehr geschleust würden, am Sonntag der Betrieb ruhe und wir folglich erst am Montag weiterfahren konnten. Dann, nach dem Passieren des Jisselmeers, telefonierte ich mit der Reederei in Rotterdam und erfuhr, dass ich die Nacht durchfahren müsse, um sofort in Rotterdam zu laden. Ich weigerte mich strikte, das zu tun. Mit dem neuen Schiff sei ich noch wenig vertraut, müsse zur Kontrolle oft in den Maschinenraum, und zudem sei mir die Jissel zu unbekannt, um sie in der Dunkelheit zu befahren. Ich mache nur, was ich selber verantworten könne. Also übernachtete ich an der Mündung des Flusses in Kampen, fuhr dann am nächsten Tag mit drei Tagen Verspätung nach Rotterdam. Dort musste ich eine Ladung Kohlen übernehmen, zufällig sehr staubend und zufällig nicht nach Basel, sondern nach Gent in Belgien. Dort gelöscht und leer nach Rotterdam, bekam ich eine neue Ladung Tonerde, zufällig nach Essen im Ruhrgebiet. Zurück in Rotterdam wurde ich nun tatsächlich nach Basel beladen. Doch dort gab es keinen besonderen Empfang mehr, wie es für ein neues Schiff eigentlich üblich war. Maloja hatte ja schon die dritte Fahrt hinter sich. Und in der Hauszeitung der Reederei, wo jeweils alle Neubauten vorgestellt wurden, ist Maloja zufällig vergessen gegangen. Doch über die diversen Zufälligkeiten habe ich nie gesprochen oder mich gar beklagt. Für mich war alles einfach der normale Reedereibetrieb.
Trotz aller kleinen Widrigkeiten: Auf Maloja hat es mir sehr gefallen! Fuhren wir enkel, dann hatten wir ein ganz passables Tempo. Als schiebender Selbstfahrer konnte Maloja bis drei Schubleichter mitnehmen. Und in der Regel war wenigstens ein Leichter der Reederei dabei, ausgerüstet mit Schottelantrieb. Dann wurde dieser Leichter bei mir vorne gekuppelt, mit dem Schottel an der Spitze. So wurde der Koppelverband ausgezeichnet manövrierfähig. Auch zu Berg ging’s oft mit drei Leichtern bis etwa ins Ruhrgebiet. Dann waren wir ausreichend bemannt, um auch nachts fahren zu dürfen. Und ich hatte dann bloss die gar nicht einfache Aufgabe, für alle einen geeigneten Ablöserstundenplan zu entwerfen.
So um 1985 wurde die Flotte der Reederei stark verkleinert und Schiffe abgestossen. Damit möglichst wenige Kollegen entlassen werden musste, vereinbarten wir mit der Direktion, dass ein Schiffsführer, dessen Schiff verkauft wurde, auf ein Schiff mit einem älteren Kollegen wechseln durfte, der von der eigenen Pensionskasse als Frührentner pensioniert werden konnte. Diese Regelung fand ich gut und human, obwohl es mich ja auch einmal treffen würde. So kam es auch, ich war 58 Jahre alt und fünf Jahre auf der Maloja gefahren, als ich mit einem jüngeren Schifferkollegen in Essen wechselte. Ich war damit zufrieden, hatte ich doch 43 Dienstjahre auf dem Buckel, blieb immer meiner Firma treu. Ich bilde mir ein, dass das reicht, und jetzt geniesse ich das Rentnerdasein!
Fotos: 1,2,3 Werft Bodenwerder
4 im Steuerhaus
5 auf das Löschen warten oberhalb Köln
6 auf dem Niederrhein zu Berg mit 3 Schubleichtern
9 Wohnzimmer des Schiffsführers
10 Bergfahrt in Basel unterhalb Mittlere Brücke
11 Bergfahrt in Basel oberhalb Mittlere Brücke mit Münster
1. Die Reederei wollte von einer Schiffstaufe nichts wissen. Diese Zeremonie sei überholt. Vermutlich waren diese Ausgaben dazu im Budget einfach nicht vorgesehen. Die ganze Besatzung von meinem Schiff war anderer Meinung. Der zweite Matrose hatte daheim Beziehungen zu einer T-Shirt-Fabrik und besorgte uns allen diese schönen Leibchen. Rechts neben mir steht der Steuermenn, rechts von ihm der Schiffsjunge, links von mir der Leibchenspender.
2. Die Mannschaft hat für die Taufe ein Gerüst gebaut und ich kaufte zum Taufen zwei Flaschen Sekt, eine für das Schiff, die andere für uns. Hier sind die Flaschen noch ganz. Die Frau des Steuermannes war unsere Taufpatin.
3.Die Flasche Sekt zerschellt an der Bordwand.
4. Als Ferienhobby und als Andenken an den Taufakt vor 21 Jahren habe ich den abgebrochenen Flaschenhals in Polyesterharz eingegossen.
Göpf
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